Lockdown KV Chur… ein Rückblick
"Sämtliche Schulen werden ab Montag, 16. März 2020, geschlossen."
Mit dem Entscheid des Bundesrates vom 13. März 2020 sind wohl nicht nur wir als KV Chur überrascht worden. Was eine Woche zuvor noch als unrealistisch eingestuft worden war, zeichnete sich zwar einige Stunden vor dem offiziellen Beschluss ab, traf uns dennoch einigermassen unerwartet. Der Kanton Graubünden kündigte im Vergleich zu den anderen Kantonen gleich eine fast doppelt so lange Schulschliessung an, nämlich über 7 Wochen bis zum 30. April. Wenn das nicht eine Herausforderung war!
Die Schulleitung entschied, dass der Fernunterricht gleich am Montag ab der ersten Lektion um 08.00 Uhr ordnungsgemäss stattfinden würde. Dies bedeutete für den Lehrkörper des KV Chur, sich innert rund 60 Stunden netto so optimal und effizient wie möglich auf eine neue Unterrichtsrealität einzustellen und vorzubereiten: Einrichtung des Homeoffice, technische Installation, Schulung auf TEAMS, elektronische Vorbereitung des Unterrichts etc. (vgl. Statements Lehrpersonen).
Wir unterzogen damit unsere Lehrpersonen einem harten Stresstest – durften aber ab Unterrichtsbeginn mit grosser Erleichterung feststellen, dass eine 100%-ige Erfolgsquote erreicht worden war. Jenes Wochenende wird die Mehrheit vermutlich nie mehr vergessen; abgesehen von einigen Unterbrüchen fürs Essen und Schlafen verbrachte jede und jeder die Zeit nonstop vor dem PC, war im Chat mit Kolleginnen und Kollegen, stellte Fragen und unterstützte sich gegenseitig, tauschte Material und Ideen aus, liess sich beraten usw. – es war mehr als der Beginn eines Prozesses, der sich bis am Ende des Fernunterrichts aufrecht erhielt.
Rückblickend war das "ins-kalte-Wasser-Werfen" vor allem für die Lernenden ein guter Entscheid, denn diese fanden damit einen idealen Anschluss an den Regelunterricht und waren anstatt in der Schule einfach vor dem PC präsent. Dadurch schufen wir sowohl für unsere Lernenden wie für deren Lehrbetriebe Klarheit. Nur hätte damals niemand damit gerechnet, dass der Fernunterricht ganze 12 Wochen dauern würde.
Klarheit lässt sich allerdings nur mit guter Kommunikation schaffen; diesem Motto getreu waren wir in der Schulleitung bestrebt, stets zeitnah und präzis zu informieren – und zwar nur dann, wenn es auch wirklich etwas zu kommunizieren gab. Wie oft hätten wir unseren 1100 Lernenden schreiben können: "Es tut uns leid, wir wissen leider auch noch nicht, ob die Lehrabschlussprüfungen stattfinden, wie man die Noten berechnet, wann der Präsenzunterricht wieder stattfindet, etc. etc." – litten wir doch selbst unter mangelnden Informationen, sodass wir das Unwissen nicht selber auch noch weiterverbreiten wollten.
Immerhin durften wir tröpfchenweise Neues erfahren, wenn die Verbundpartner des Bundes wieder etwas entschieden hatten, sodass schliesslich doch noch alle Akteure rechtzeitig zu den notwendigen Informationen kamen. Ein einziger Entscheid führte fast ausnahmslos zu neuen Fragen, deren Beantwortung sich wiederum teilweise über Wochen hinweg zog. Selbstredend steht es uns jedoch nicht an, irgendwelchen Gremien oder Ämtern einen Vorwurf zu machen, denn alle hatten wohl mit derselben Problematik des Nichtwissens zu kämpfen. Wir hoffen, dass wenigstens zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Artikels Klarheit in Bezug auf heute noch nach wie vor offene Fragen zum Umgang mit dem Coronavirus und dessen Situation besteht…
Wenn man davon sprach, dass schweizweit uneinheitliche Lösungen in Bildungsfragen zu einem unnötigen Flickenteppich geführt hätten, so trifft das für die Berufsbildung nur teilweise zu. Die Berufsmaturität wurde auf Stufe SBFI (Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation) und einer Notverordnung des Bundesrats erfreulicherweise schweizweit verbindlich geregelt, während die praktischen Abschlussprüfungen je nach Verbandsbranche unterschiedliche Lösungen präsentierten. Am KV Chur entfielen für die beiden Hauptgruppen Kaufmännische Ausbildung sowie die Detailhandelsberufe die praktischen Prüfungen, während die medizinischen Assistenzberufe eine praktische Prüfung unter teilweise erschwerten Bedingungen durchzuführen hatten. Die Aufgabe der Schulleitung bestand dann wie vorhin erwähnt darin, klar zu kommunizieren, dass der Entscheid nicht eine Entscheidung der Schule sei.
Dass auch unser KV durch die Ausnahmesituation einen digitalen Schub erhalten hat, ist unbestritten. Was als "digitale Transformation" in einer prozesshaften Schulung und Anwendung auf längere Zeit angedacht war, fand aufgrund der Umstände in rekordhaftem Tempo statt. Die Leistung der Lernenden und Lehrpersonen ist beachtlich und verdient grosse Anerkennung. Alle Beteiligten waren in Bezug auf Flexibilität und Selbständigkeit enorm herausgefordert, was sie mehrheitlich auf beeindruckende Art und Weise gemeistert haben.
Inwiefern die Erkenntnisse des Fernunterrichts in den künftigen Präsenzunterricht einfliessen, wird sich noch weisen müssen. Sicher ist, dass diejenigen digitalen Tools, die den Unterricht generell bereicherten, auch in Zukunft Bestand haben sollen.
Zusammengefasst dürfen wir als Schulleitung festhalten:
- Allen Akteuren gebührt ein grosses Kompliment.
- Wir sind alle um eine grosse Portion Erfahrung reicher.
- Der digitale Schub für das KV Chur war enorm.
- Das digitale Unterrichten war spannend, hat aber auch klar Grenzen aufgezeigt.
- Am meisten fehlte uns allen der persönliche Kontakt.
- Wir sind erleichtert, dass wir wieder vor Ort unterrichten können.
"Wenn es nicht nur ums Lernen geht, sondern um Bildung, dann braucht der Mensch den Menschen" (aus einem Meinungsbeitrag der NZZ vom 8.6.2020 zur Debatte über digitale Bildung). In diesem Sinne wollen wir uns vor Auge halten, dass unser Schulsystem nur so gut ist, wie die Menschen, die dahinterstehen, ob analog oder digital. Es ist uns deshalb ein grosses Anliegen, an dieser Stelle ALLEN Beteiligten für ihren ausserordentlichen Einsatz in einer ausserordentlichen Zeit ein riesiges DANKE auszurichten.
Schulleitung KV Chur