Gedankensplitter der Schulleitung
«Bildung ist das, was übrigbleibt, wenn man alles, was man in der Schule gelernt hat, vergessen hat.»
Albert Einstein (1879–1955)
Einmal mehr zitieren wir den berühmten deutsch-schweizerisch-amerikanischen Physiker und einen der bedeutendsten Wissenschaftler der Menschheitsgeschichte mit einem pointierten, leicht provokativen Zitat. Auf den ersten Blick scheint es im Widerspruch zur verbreiteten Vorstellung zu stehen, dass Schule primär dazu da ist, möglichst viel Wissen zu vermitteln – denn von nichts kommt bekanntlich nichts. Und doch bestärkt uns dieses Zitat in unserem Anliegen, unsere Lernenden nicht nur zu fördern, sondern auch das erworbene Wissen einzufordern, das über den Schulalltag hinaus Bestand hat. Wir sind überzeugt: Als Berufsfachschule leisten wir einen wesentlichen Beitrag auf dem Weg junger Menschen zu selbstständigen, reflektierten Erwachsenen.
Die Bildungslandschaft befindet sich im Wandel. „Menschen unterrichten Menschen“ – diese Formulierung relativiert den Begriff «Lehrperson», besonders wenn „lehren“ als reines Dozieren verstanden wird. Doch die Zeiten des ausschliesslich frontalen Unterrichts sind längst vorbei. Die klassische Lehrperson wird zunehmend in der Rolle eines Coachs gesehen, während der Anspruch an sie gleichzeitig deutlich komplexer geworden ist: «Handlungskompetenzorientierung» gilt aktuell als oberstes Prinzip unseres Bildungssystems – ein Bildungssystem, das auf allen Stufen grundlegend im Umbruch ist. Die für uns zentrale Frage lautet: Wie gelingt es uns, junge Menschen für das Leben und die Arbeitswelt fit zu machen?
Das duale Bildungssystem unterstützt uns bei diesem Anliegen, indem es die Verbindung von schulischer Theorie mit der beruflichen Praxis ermöglicht. Diese enge Verknüpfung mit dem Alltag der Lernenden und den konkreten Aufgaben am Arbeitsplatz ist ein zentraler Vorteil. Doch ganz nach dem Motto, dass das eine das andere nicht ausschliesst, vertreten wir am KV Chur dezidiert die Haltung, dass eine solide Allgemeinbildung nach wie vor ein tragender Bestandteil der schulischen Ausbildung ist. Die Vermittlung soll so gestaltet sein, dass die uns anvertrauten Lernenden durch zeitgemässe Methoden einen passenden Zugang zur Bildung finden. Gleichzeitig fördern wir gezielt Eigenverantwortung – ganz im Sinne der alten Redensart: Man kann ein Pferd zum Wasser führen, aber nicht zum Trinken zwingen.
Mit diesem ausgewogenen Ansatz aus Wissensvermittlung, Handlungskompetenz und Förderung der Eigenverantwortung schaffen wir die Voraussetzungen dafür, dass neben viel Vergessenem ein wertvolles Stück Bildung übrigbleibt. Im besten Falle wird damit sogar die Erwartung Einsteins übertroffen.
Dass wir nicht stehen bleiben (wollen), ist offensichtlich. Im vergangenen Jahr hat die KV Wirtschaftsschule als lernende Organisation sich unter anderem mit den nachfolgenden Themen auseinandergesetzt und dabei spürbar weiterentwickelt:
- Abschluss der Reformumsetzung im Berufsfeld Detailhandel
- Abschluss der Reformumsetzung in der Abteilung Fachfrau/Fachmann Apotheke
- Gestaltung neuer Lernräume
- Zufriedenheitsumfragen bei allen Lernenden und Mitarbeitenden – inklusive Auswertung und Umsetzung entsprechender Massnahmen
- Neuorganisation der Führungsebene für das Schuljahr 2025/26 (dazu erfolgte eine detaillierte Information bereits Ende Juni)
Letzteres steht im Zusammenhang mit dem auf eigenen Wunsch erfolgten Rücktritt von Renato Bergamin als Co-Rektor des KV Chur. Ihm ist es ein Anliegen, sich mit einigen persönlichen Worten direkt an Sie, liebe Leserinnen und Leser, zu wenden:
«38 Jahre lang durfte ich in der Berufsbildung als Lehrperson und 24 Jahre als Mitglied verschiedener Schulleitungen tätig sein. Ich blicke mit tiefer Dankbarkeit auf diese Zeit zurück – auf ein sinnerfülltes Arbeitsleben, das mich ausnahmslos jeden Tag mit Freude meinen Beruf ausüben liess.
Jugendliche auf ihrem Weg zu mündigen Menschen begleiten zu dürfen, ist ein Geschenk und gleichzeitig eine grosse Verantwortung, derer man sich bei der Berufswahl bewusst sein muss. Unsere Jugend ist – entgegen manch kritischer Stimmen – GROSSARTIG. Ihr gehört die Zukunft, und genau deshalb müssen wir achtsam mit ihr umgehen. Den angehenden Berufsleuten gebührt grosse Anerkennung. Ich wünsche mir von Herzen, dass unser duales Bildungssystem noch lange Bestand haben möge. Dazu braucht es engagierte Lehrbetriebe sowie Berufsbildnerinnen und Berufsbildner, die Zeit, Geduld und Überzeugung in die Ausbildung junger Menschen investieren.
Was ich in diesen 38 Jahren und darüber hinaus erleben durfte, erfüllt mich mit Demut und tiefer Dankbarkeit – gegenüber allen Beteiligten: meinem Arbeitgeber, den Mitarbeitenden im Amt für Berufsbildung Graubünden, dem Vorstand des KV Chur, der Schulleitung und insbesondere meinen geschätzten Kolleginnen und Kollegen im gesamten Schulteam.»
Diesem aufrichtigen Dank gibt es im Namen der gesamten Schulleitung nichts hinzuzufügen. Wir wünschen Ihnen viel Spass bei der Lektüre des Jahresberichts und freuen uns über einen weiterhin guten Kontakt.
Schulleitung KV Chur/anfangs Juli 2025